Kurzinfo:
Der
Entwurf für das neue Gebäudeenergiegesetz erlaubt laut § 103
(Innovationsklausel) bis Ende 2023 dass Behörden auf Antrag
Ausnahmen erlauben bei Nachweisen für Neubauten oder bei der Sanierung von
Bestandsbauten. Doch diese Option ist in der Wirtschaft sehr
umstritten. Wir haben für Sie einige Stimmen dazu pro und contra
erfasst und kommentiert. Überblick und Links zu
folgenden Aspekten:
GEG-Innovationsklausel eröffnet neue
Nachweis-Optionen
Contra:
BuVEG: Mehr CO2-Ausstoss
durch Innovationsklausel
DENEFF: Innovationsklausel
schadet in jetziger Form
Pro:
GDW: Innovationsklausel ist
Hoffnungsschimmer
Wollen Sie auf dem
Laufenden bleiben?
Neubau: Wer
heute einen Neubau plant und baut muss auch die
energetischen Anforderungen der
Energieeinsparverordnung (EnEV) und der
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes (EEWärmeG)
erfüllen. Das kommende Gebäudeenergiegesetz
(GEG) soll diese Regelungen ablösen. Laut dem
Entwurf für das GEG vom 22. Januar 2020 muss man
Neubauten grundsätzlich als
Niedrigstenergiegebäude planen und erbauen.
Dieses regelt der Entwurf im § 10 (Grundsatz und
Niedrigstenergiegebäude). Das Gesetz begrenzt
den Gesamtenergiebedarf für Heizung,
Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung, bei
Nichtwohngebäuden auch für eingebaute
Beleuchtung. Des weiteren muss der bauliche
Wärmeschutz der Gebäudehülle den Energieverlust
beim Heizen und Kühlen vermeiden sowie der
Wärme- und Kälteenergiebedarf zumindest anteilig
durch die Nutzung erneuerbarer Energien gedeckt
werden. Den energetischen Nachweis führen
berechtigte Fachleute anhand der
aufgezählten Parameter und berechnen diese
anhand der vorgeschriebenen Methoden.
Eine alternative
Nachweismethode eröffnet der GEG-Entwurf im §
103 (Innovationsklausel): Bis zum 31. Dezember
2023 können die zuständigen Behörden auf Antrag
erlauben, dass der energetische Nachweis anhand
der Treibhausgasemissionen des Gebäudes und des
Jahres-Endenergiebedarfs in Bezug auf ein
entsprechendes Referenzgebäude geführt wird.
Details siehe GEG-Entwurf
Sanierung im
Bestand: Wer heute ein bestehendes Gebäude
energetisch verändert muss gegebenenfalls auch
die Anforderungen der EnEV und EEWärmeG
erfüllen. Der GEG-Entwurf führt diese
Anforderungen weiter und regelt sie in den § 48
(Anforderungen an ein bestehendes Gebäude bei
Änderung) und § 50 (Energetische Bewertung eines
bestehenden Gebäudes). Der energetische Nachweis
erfolgt auch hier durch qualifizierte Fachleute
und den vorgegebenen Rechenmethoden.
Laut GEG-Entwurf
können sanierungswillige Bauherren oder
Eigentümer bis zum 31. Dezember 2025
vereinbaren, dass Gebäude, die in räumlichem
Zusammenhang stehen, die energetischen
Anforderungen gemeinsam erfüllen. Jedes der
betroffenen Gebäude muss einen
Mindestwärmeschutz seiner Hülle gewährleisten.
Dieser Vereinbarung muss eine einheitliche
Planung zugrunde liegen, sie muss der
zuständigen Behörde angezeigt werden und die
Maßnahmen an allen erfassten Gebäuden müssen
innerhalb von drei Jahren erfolgen.
Details siehe GEG-Entwurf
"Neuer Entwurf des
Gebäudeenergiegesetzes (GEG) konterkariert
Klimaziele!" erklärte am 2. März 2020 der
Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG)
und berief sich dabei auf eine Studie des FIW
Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München.
Deren Berechnungen würden zeigen, dass durch die
Abschwächungen im aktuellen Entwurf des
Gebäudeenergiegesetzes mit bis zu 20 Prozent mehr
CO2-Emissionen im Quartier gerechnet werden
müsste. Dies widerspreche den Klimaschutzzielen
der Bundesregierung immens. Bei einem Beispiel
von zehn Gebäuden: Werde ein Gebäude im Quartier
energieeffizient modernisiert, reiche für die
restlichen neun Gebäude ein erheblich
niedrigerer Standard für die Gebäudehülle aus –
mit Abschwächungen von bis zu 40 Prozent.
Das Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW
München), dem aus umgesetzten Sanierungsvorhaben
konkrete Daten vorliegen würden, hätte errechnet, dass
bei der Sanierung eines solchen Quartiers aus
Ein-/Zweifamilienhäusern über 20 Prozent mehr CO2
emittiert werden würden, als bei einer Sanierung
aller Gebäude nach EnEV-Standard.
Prof. Dr. Andreas Holm vom FIW München dazu:
„Mit Blick auf 2050 ist es fahrlässig, solche
Regelungen in einem Gesetz zu verankern. Das
dient vielleicht der kostengünstigen Sanierung,
aber weder den Mietern, die einen schlechten
energetischen Standard bei einer Erhöhung der
Energiepreise sofort zu spüren bekommen, noch
dem Klima. Gebäude, die jetzt mehr schlecht als
recht saniert werden, sind nicht zukunftsfähig
und erst recht nicht klimaneutral bis 2050."
"Die Aufweichung der bisherigen
Effizienzanforderungen in der Innovationsklausel
ist ein Schritt in die falsche Richtung und
gefährdet die Erfüllung der Klimaziele. So
werden Strafzahlungen Deutschlands immer
wahrscheinlicher. Und was daran innovativ sein
soll, erschließt sich mir nicht", so Jan Peter
Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbands
energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG).
Ohne eine deutliche Anhebung der Sanierungsrate
und der Sanierungstiefe bei Bestandsgebäuden
würden die Klimaschutzziele der Bundesregierung
nicht eingehalten werden können. Das
Gebäudeenergiegesetz müsse in diesem Punkt
dringend nachgebessert werden.
Hier können Sie die Kurzstudie des FIW München
einsehen:
Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München:
Gebäudeenergiegesetz 2019, Auswirkung der
Innovationsklausel
Kritisch äußerte
sich die Deutsche Unternehmensinitiative
Energieeffizienz e.V. (DENEFF) am 28. Februar
2020:
"Die vorgeschlagene "Innovationsklausel" in §
103 ist äußerst kritisch zu bewerten. Ihr Name
und die Anforderungsgröße CO2 dürfen
nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die
Regelung am aktuellen, nicht an den
klimapolitischen Erfordernissen ausgerichteten
Mindeststandard für Gebäude orientiert und in
der Praxis sogar zu einer Absenkung der
bestehenden Anforderungen führen wird. Die Bau-
und Umweltausschüsse des Bundesrates lehnten die
Klausel deshalb ab:
"Die Öffnung der Nachweisverfahren führt dazu,
dass immer das Verfahren mit den niedrigsten
Standards ausgewählt werden kann. Der Ansatz der
gemeinsamen Erfüllung der Anforderungen durch
Gebäude, die in einem räumlichen Zusammenhang
stehen, führt dazu, dass in Summe bereits
schlechtere energetische Niveaus als bisher den
gesetzlichen Anforderungen genügen.""
"... Nach dem
GEG-Entwurf können Bauherren sich beliebige Wege
der Nachweisführung durch Gutachter eröffnen
lassen. Klare Kriterien hierfür fehlen. Dies
schafft die Möglichkeit, systematischer, durch
Bauämter kaum nachvollziehbarer Umgehungen."
Das DENEFF-Fazit: Die "Innovationsklausel" in §
103 schafft keinen Mehrwert für den Klimaschutz,
da sie sich an den bestehenden Mindeststandards
orientiert und in der Praxis sogar zu einer
Absenkung der Anforderungen führen wird. Bei
Modernisierungen einzelner Gebäude erlaubt sie
sogar, deren Wärmeschutz auf dem Niveau der
1950er Jahre zu belassen. Zudem produziert die
Klausel bürokratischen Mehraufwand in
überlasteten kommunalen Bauämtern. Die
Innovationsklausel ist zu streichen."
Quelle:
Bundestag: Ausschussdrucksache 19(9)527 - SV
Henning Ellermann, Deutsche
Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF)
Zustimmend äußerte
sich am 3. März 2020 der Bundesverband
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
GdW mit folgenden Argumenten:
"Die CO2-Emissionen eines
Quartiers hängen vom Energiebedarf und vom
Anteil erneuerbarer Energien ab, nicht nur von
Dämmdicken.
Die Argumentation der Dämmstoffindustrie ist
nicht korrekt. Die Innovationsklausel verlangt
eine gemeinsame Erfüllung: Alle gemeinsam
betrachteten Gebäude müssen in ihrer Gesamtheit
die Anforderungen an Bestandssanierungen
erfüllen, wie sie an Einzelgebäude gelten.
Deshalb können weder alle Gebäude im Quartier
gleichzeitig unterdurchschnittlich gedämmt sein,
noch kann der Primärenergiebedarf für alle
gemeinsam im Durchschnitt höher sein als bei der
Sanierung eines Einzelgebäudes.
Die Innovationsklausel ist nach Jahren des
"Weiter so" in der Effizienzpolitik – das
politisch schon 2010 als ungeeignet erkannt
wurde – ein Hoffnungsschimmer für neue Wege zur
CO2-Minderung. Sie führt dazu, dass
der kostengünstigste Weg zwischen
Gebäudeeffizienz und Einbindung erneuerbarer
Energien gesucht werden kann."
Das Fazit des GdW: "Wer diesen Ansatz der
Innovationsklausel ignoriert oder bekämpft, wer
allein die Dämmstandards hochtreiben will und
nicht auf das Gesamtsystem schaut, der treibt
die Mieten hoch – und hat damit kein Interesse
an einer sozial gelingenden Energiewende. Der
Gebäudeeinzelkampf ist seit Jahren in der
Kritik. Eine gelingende Energiewende und mehr
bezahlbarer Klimaschutz brauchen
Quartierslösungen für Wärme, Strom und
Mobilität. Die Innovationsklausel ist ein
kleiner Anfang dafür."
Quelle:
Gebäudeenergiegesetz: Innovationsklausel ist
Hoffnungsschimmer für neue Wege zur CO2-Minderung
und mehr bezahlbaren Klimaschutz
Das
Gebäudeenergiegesetz GEG befindet sich auf dem
parlamentarischen Weg. Der Bundesrat hat noch
vor Weihnachten eine
"Wunschliste" mit 51 Punkten, die teilweise
in das Gesetz eingehen wird, verfasst. Der Bundestag hat
sich im Januar 2020 in erster Lesung mit dem Gesetz befasst und
der zuständige Bundestag-Ausschuss hat
inzwischen eine Anhörung mit Sachverständigen
dazu geführt. Wir werden Sie auch weiterhin auf
dem Laufenden halten wie sich die Anforderungen
weiterhin entwickeln und wie das GEG in der
Praxis umzusetzen ist.
Redaktion: Melita
Tuschinski, EnEV-online.de,
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