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Kurzinfo:
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG 2020) sollte laut
§ 9
(Überprüfung der Anforderungen an zu errichtende und
bestehende Gebäude) erst nächstes Jahr überprüft werden.
Die zuständigen Bundesministerien sollten innerhalb
eines halben Jahres einen Vorschlag zur
Fortschreibung des Gesetzes ausarbeiten. Doch nun
ging es dieses Jahr Schlag auf Schlag: Am 29. April
2022 legte das Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWK) bereits einen Referentenentwurf
für eine GEG-Novelle vor. Dieser wurde nochmals
geändert, vom Bundestag am 7. Juli 2022
beschlossen und vom Bundesrat am 8. Juli 2022
gebilligt. Wir
haben uns diesen Bundesrats-Beschluss angesehen und berichten
allgemein zu den
Änderungen:
1.
Ziele und Notwendigkeit der GEG-Novelle
Angesichts der
aktuellen politischen Lage und des massiven
Preisanstiegs für fossile Brennstoffe müssen die
bisherigen Anstrengungen für Energieeinsparungen
im Gebäudebereich durch kurzfristig umsetzbare
Maßnahmen gesteigert werden.
Im Neubau können
durch Fortschritte bei Technologien und
Materialien niedrigere Heizenergiebedarfe und
eine effizientere Nutzung von Erneuerbaren
Energien erreicht werden. Gleichzeitig ist mit
der Einstellung der EH-55-Förderung ein Anreiz
entfallen, diese Potentiale in der Breite
auszuschöpfen.
Um hier einen
Rückfall auf den bisherigen gesetzlichen
Standard (sogenannter EH-75-Standard) zu
verhindern, soll daher als Zwischenschritt bis
zur Einführung des EH-40 Standards in 2025 der
gesetzliche Neubaustandard hinsichtlich des
zulässigen Primärenergiebedarfs auf den
EH-55-Standard angehoben werden.
Darüber hinaus
stellt dies einen Baustein für die Erreichung
der Klimaschutzziele der Bundesregierung dar. In
einem weiteren Schritt werden weitere Vorhaben
der Koalition umgesetzt (u. a. die Einführung
der Vorgabe für 65 % Erneuerbare Wärme bei neuen
Heizungen ab 2024 und die Solardachpflicht für
gewerbliche Neubauten). Im Zuge der künftigen
Angleichung an den EH-40-Standard wird die
bisherige Anforderungssystematik umgestellt auf
eine Systematik, die insbesondere auch die
eingesparte Tonne CO2
mitberücksichtigt. Die bisherige Dämmanforderung
(HT‘) soll dann durch eine andere, weiter
gefasste Effizienzgröße ersetzt werden. In
diesem Zusammenhang wird auch die
Fördersystematik kohärent weiterentwickelt,
indem diese konsequent an den
Treibhausgas-Emissionen pro Quadratmeter
Wohnfläche sowie Lebenszykluskosten bemessen
wird. Die das Verhältnis zur Förderung
betreffenden Vorschriften werden entsprechend
angepasst.

2.
Der wesentliche Inhalt der GEG-Novelle
Der EH-55-Standard
hat sich in den letzten Jahren bereits als
Neubaustandard am Markt etabliert. Die hohen
energetischen Anforderungen werden sowohl durch
eine gute Dämmung der Gebäudehülle und weitere
Effizienzmaßnahmen als auch durch den Einsatz
von Erneuerbaren Energien für die Wärme- und
Kälteversorgung oder durch den Anschluss an ein
Wärmenetz erreicht.
In der
überwiegenden Mehrheit der Fälle werden keine
fossilen Brennstoffe – insbesondere kein Gas –
mehr eingesetzt. Gegenüber dem geltenden
sogenannten EH-75-Neu-baustandard sinkt der
Primärenergieverbrauch um über 30 %.
Vor diesem
Hintergrund wird der EH-55-Standard hinsichtlich
des zulässigen Primärenergiebedarfs als
gesetzlicher Neubaustandard verankert. Dazu wird
der zulässige Primärenergiebedarf des zu
errichtenden Gebäudes von bisher 75 % des
Primärenergiebedarfs des Referenzgebäudes auf 55
% reduziert.
Das in Anlage 5
des GEG geregelte vereinfachte Nachweisverfahren
für Wohngebäude wird angepasst. Anlagenoptionen,
die im vereinfachten Nachweisverfahren nicht
aufgeführt werden, sind weiterhin im Rahmen des
Referenzgebäudeverfahrens umsetzbar, so dass das
Referenzgebäudeverfahren technologieoffen ist.

3.
Weitere Änderungen des GEG
Um eine bestehende
systematische Benachteiligung von Fernwärme aus
Großwärmepumpen gegenüber Fernwärme aus
KWK-Anlagen oder Wärmeerzeugern mit fossilen
Energien zu beheben, wird für Strom zum Betrieb
von wärmenetzgebundenen Großwärmepumpen der
Primärenergiefaktor für den nicht erneuerbaren
Anteil von 1,2 eingeführt (statt 1,8).
In § 23 werden die
Absätze 2 und 3 gestrichen, da sich in der
Praxis erwiesen hat, dass das dort
vorgeschriebene Bewertungsverfahren zu
widersprüchlichen Ergebnissen führen kann.
Zudem sollen
befristete Erleichterungen im Zusammenhang mit
der Anwendbarkeit der Vorschriften des GEG
eingeführt werden für Gebäude, die der
Unterbringung von geflüchteten Menschen dienen.
Die Anhebung des
Anforderungsniveaus wird in § 91 durch eine
Anpassung der Regelung zu den Fördermaßnahmen
abgebildet.
Weiter wurden etliche redaktionelle
Folgeänderungen und Klarstellungen eingepflegt.

4.
Stufenweise Anhebung des Neubau-Standards
Zur Erreichung der
Klimaziele der Bundesregierung soll eine
stufenweise Anhebung des gesetzlichen
Neubaustandards erfolgen. Dabei stellt die
erhöhte Anforderung hinsichtlich des zulässigen
Primärenergiebedarfs für zu errichtenden Gebäude
ab dem 1.1.2023 einen Zwischenschritt bis zur
Angleichung des gesetzlichen Neubaustandards an
den EH-40-Standard zum 1.1.2025 dar. Mit diesem
Zwischenschritt soll ein Rückfall auf den sog.
EH-75-Standard verhindert werden. Gleichzeitig
sollen die Bürgerinnen und Bürger, die
Wirtschaft sowie die öffentliche Verwaltung
genügend Zeit zur Anpassung erhalten, weshalb
eine ambitioniertere Anhebung des gesetzlichen
Neubaustandards zu diesem Zeitpunkt noch nicht
erfolgt.

5.
Gesetzgebungskompetenz und EU-Recht
Die
Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das
Gebäudeenergiegesetz ergibt sich aus Artikel 74
Absatz 1 Nummer 11 und 24 des Grundgesetzes
(GG).
Der Regelungsgegenstand des
Gebäudeenergiegesetzes gehört zum Recht der
Wirtschaft, namentlich der Energiewirtschaft.
Dabei ist der Begriff „Energiewirtschaft“ im
Sinne des Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG nicht
auf die Herstellung und Verteilung von Energie
beschränkt, sondern erfasst auch Maßnahmen zur
Minderung des Energieverbrauchs.
Zweck des
Gebäudeenergiegesetzes ist, durch einen
sparsamen Einsatz von Energie in Gebäuden und
eine zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien
zur Erzeugung von Wärme und Kälte im Interesse
des Klimaschutzes fossile Ressourcen zu
substituieren, die Abhängigkeit von
Energieimporten zu mindern und so einen Beitrag
zur Versorgungssicherheit zu leisten.
Zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit
ist im gesamtstaatlichen Interesse eine
bundesgesetzliche Regelung im Sinne des Artikels
72 Absatz 2 GG erforderlich. Eine
Rechtszersplitterung bei den Anforderungen an
die Nutzung erneuerbarer Energien und an die
Energieeffizienz von Neubauten würde sich
nachteilig auf die Tätigkeit von Planenden,
Unternehmen der Anlagentechnik, Bauwirtschaft
und Immobilienwirtschaft und die Entwicklung
bundesweit vertriebener Anlagen, z. B. Anlagen
zur Nutzung erneuerbarer Energien zur
Wärmeerzeugung, Bauprodukte, z. B. energetisch
hocheffizienter Fertighäuser und
Dienstleistungen für Neubau und Sanierung
auswirken.
Aus diesem Grunde gewährleisten
bundesweit einheitliche, abschließend
festgelegte energetische Standards für den
Neubau, dass Unternehmen der Anlagentechnik, die
produzierende Bauwirtschaft,
Immobilienwirtschaft und Handwerk berechenbare
und verlässliche technische und rechtliche
Rahmenbedingungen für die Produktentwicklung und
die Produktion für den gesamten deutschen Markt
vorfinden.
Die Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes
fallen auch in den Bereich der Luftreinhaltung.
Eine Maßnahme dient der Reinhaltung der Luft im
Sinne des Artikel 74 Absatz 1 Nummer 24 GG, wenn
die Schadstoffmenge begrenzt oder verringert und
dadurch die natürliche Zusammensetzung der Luft
erhalten wird. Der Ausstoß klimaschädlicher
Treibhausgase beeinträchtigt die Atmosphäre, die
Bestandteil des Umweltmediums Luft ist.
Zweck
des Gebäudeenergiegesetzes ist es, den Ausstoß
von Treibhausgasen zu verringern und damit das
Klima zu schützen. Der sparsame Einsatz von
Energie in Gebäuden und eine zunehmende Nutzung
erneuerbarer Energien zur Erzeugung von Wärme
und Kälte sind Anknüpfungspunkt zum Erreichen
des gewünschten Klimaschutzes. Das
Gebäudeenergiegesetz trägt damit dazu bei,
Treibhausgasemissionen deutlich zu verringern,
denn als Folge des Gebäudeenergiegesetzes werden
fossile Energieträger substituiert, der
Kohlendioxidausstoß verringert und so die
Reinhaltung der Luft gewährleistet.
Zur Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen
Union und völkerrechtlichen Verträgen
Die Änderungen in
Artikel 18a stehen im Einklang mit dem Recht der
Europäischen Union (insbesondere mit der
geltenden Gebäuderichtlinie, der
Energieeffizienz-Richtlinie und der Erneuerbare
Energien-Richtlinie) und völkerrechtlichen
Verträgen.

6.
Vereinfachungen und Nachhaltigkeitsaspekte
Das bereits
bestehende vereinfachte Nachweisverfahren für
Wohngebäude (GEG-easy) wird beibehalten. Es wird
jedoch an den verschärften Neubaustandard angepasst. Da es
sich an bekannten und erprobten Kriterien für
die bisherige EH-55-Förderung orientiert und
gegenüber der gegenwärtigen gesetzlichen
Regelung eine einfachere Struktur aufweist,
dürfte dies tendenziell dazu führen, das sich
die Anwendung vereinfacht. Auch durch den Wegfall
der Absätze 2 und 3 in § 23 GEG wird das
Berechnungsverfahren für die anzurechnende Menge
von Strom aus erneuerbaren Energien erleichtert.
Die Änderungen in
Artikel 18a entsprechen den Leitgedanken der
Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im
Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie,
die der Umsetzung der UN-Agenda 2030 für
nachhaltige Entwicklung dient. Sie dienen
insbesondere der Erreichung von SDG 7 (Zugang zu
bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und
moderner Energie) und SDG 13 (Maßnahmen zum
Klimaschutz).
Die Änderungen in Artikel 18a tragen konkret zur
Erreichung der Ziele im Bereich
Primärenergieverbrauch (Indikator 7.1.b) der
Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bei, indem
infolge der erhöhten Anforderung an den
maximalen Primärenergieverbrauch eines Neubaus
weniger Primärenergie im Gebäudesektor
verbraucht wird. Ebenso tragen sie zur
Erreichung der Ziele im Bereich
Treibhausgasemissionen (Indikator 13.1.a) der
Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bei, indem
durch einen geringeren Primärenergieverbrauch
und eine stärkere Nutzung von Erneuerbaren
Energien für die Wärme- und Kälteversorgung im
Gebäude Treibhausgasemissionen gesenkt werden.
Es sind keine Auswirkungen auf die
Verbraucherinnen und Verbraucher, die über die
in den Ausführungen zum Erfüllungsaufwand
dargestellten hinausgehen, zu erwarten. Die
Änderungen im neuen Artikel 18a haben nach den
gleichstellungspolitischen Grundsätzen der
Bundesregierung keine Auswirkung auf die
Gleichstellung.

7.
Zeitliche Befristung und Evaluierung des Erfolgs
Die Änderungen des
GEG im Rahmen der Novelle 2023 sind
unbefristet. Damit will der Gesetzgeber
verhindern, dass Neubauten später rückfallen auf
den aktuelle geltenden EH-75-Standard. Dies wäre
mit den Klimaschutzzielen der
Bundesregierung nicht vereinbar. Inwieweit der
verschärfte Neubaustandard dazu beträgt, die
Klimaschutzziele der Bundesregierung zu
erreichen, soll im Jahr 2026 ausgewertet werden.

8. Quelle, Download und konsolidierter Text
Bundesrat Drucksache 315/22 (Beschluss)
vom 08.07.22, Gesetz zu Sofortmaßnahmen für
einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren
Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor
Konsolidierter Text des Novellen-Entwurf:
Die vorgeschlagenen Änderungen erkennen Sie an der roten Schrift

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